Auf der Suche nach Modellen zum Zeichnen entstanden in den 80er Jahren Figuren, die Irene Nestler an Fäden aufhängte, um sie vielfältig inszenieren zu können. Da verführten sie sie, mit ihnen zu spielen. Die Erfahrungen, die sie als Kunsterzieherin beim Figurenbau mit Schülern gemacht hatte, waren dabei hilfreich und anregend.
Anfangs plante sie Figuren, die abbildhaften, illustrativen Charakter hatten. Angeregt durch die künstlerische Arbeit von Dieter Nestler, der im Ambiente des Hamburger Hafens seinen Gestaltungsschwerpunkt hatte, bestimmte zunehmend ein Interesse für weggeworfene gefundene Objekte (Fegsel) ihren Arbeitsprozess. Sie ließ sich überraschen vom zufälligen Miteinander ihrer Materialien.
Irene Nestler betrachtete ihre Figuren als Skulpturen, die durch Bewegung ein Eigenleben entfalten, indem sie versuchte, sich in ihre besonderen Ausdrucks- und Bewegungsmöglichkeiten einzufühlen. Sie sollten nicht unbedingt vorgegebene Inhalte vermitteln, sondern beim Betrachter Assoziationen auslösen.
Metamorphosen – vom Fundstück zum Kunstwerk
Ina Ewers-Schultz
Sammeln und verwandeln
Weggeworfenes, undefinierbares Gerümpel, unbrauchbar geworden und scheinbar nutzlos, bildet die Grundlage des künstlerischen Schaffens von Irene Nestler. 1986 sammelte sie am Hamburger Hafen erste Fundstücke. Zu Hause im Atelier wurden diese Gegenstände miteinander in Verbindung gebracht, neu kombiniert und verwandelten sich in den Händen der Künstlerin zu Kunstwerken. Taureste, rostige Nägel, Blech- und Holzteile, alte Schwimmer von Tauen an Rettungsbooten, Gestelle von Regenschirmen, Bürstenköpfe und vieles mehr wurde zum Ausgangsmaterial für Figuren. Montiert und mit Fäden versehen wurden sie zu beweglichen Objekten von großer eigener Ausdruckskraft, den sogenannten Fegsel-Figuren.
Die Benennung durch die Künstlerin geht auf den mundartlichen Begriff Fegsel zurück, der die auf Schiffen zusammengefegten Reste nicht mehr zu verwertender Dinge bezeichnet. Dabei verraten die Fundstücke, die Irene Nestler sammelt, oftmals ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr. Doch in den Augen der Künstlerin ist es nicht das einzelne Teil, das zählt; die Wertigkeit ergibt sich allein aus dem neuen Zusammenklang, in den es durch den künstlerischen Prozess gestellt wird. Dabei arbeitet die Künstlerin nach dem Prinzip der Assemblage: die Teile werden miteinander kombiniert und erhalten eine neue Bedeutung im Gesamtgefüge.
Sammeln und verwandeln
Weggeworfenes, undefinierbares Gerümpel, unbrauchbar geworden und scheinbar nutzlos, bildet die Grundlage des künstlerischen Schaffens von Irene Nestler. 1986 sammelte sie am Hamburger Hafen erste Fundstücke. Zu Hause im Atelier wurden diese Gegenstände miteinander in Verbindung gebracht, neu kombiniert und verwandelten sich in den Händen der Künstlerin zu Kunstwerken. Taureste, rostige Nägel, Blech- und Holzteile, alte Schwimmer von Tauen an Rettungsbooten, Gestelle von Regenschirmen, Bürstenköpfe und vieles mehr wurde zum Ausgangsmaterial für Figuren. Montiert und mit Fäden versehen wurden sie zu beweglichen Objekten von großer eigener Ausdruckskraft, den sogenannten Fegsel-Figuren.
Die Benennung durch die Künstlerin geht auf den mundartlichen Begriff Fegsel zurück, der die auf Schiffen zusammengefegten Reste nicht mehr zu verwertender Dinge bezeichnet. Dabei verraten die Fundstücke, die Irene Nestler sammelt, oftmals ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr. Doch in den Augen der Künstlerin ist es nicht das einzelne Teil, das zählt; die Wertigkeit ergibt sich allein aus dem neuen Zusammenklang, in den es durch den künstlerischen Prozess gestellt wird. Dabei arbeitet die Künstlerin nach dem Prinzip der Assemblage: die Teile werden miteinander kombiniert und erhalten eine neue Bedeutung im Gesamtgefüge.
Individuen
Inzwischen sind seit den Anfängen mehr als dreißig Fegsel-Figuren unterschiedlichster Art entstanden, mit denen sich die Künstlerin ihr Haus und Atelier teilt. Die kleinste Figur misst lediglich fünf Zentimeter, die größte 95. Jede hat ihren spezifischen Charakter. Die Verwendung filigraner Dinge wie etwa dem drahtigen Gerüst eines Regenschirmes, derber Holzteile oder dicker Taue bestimmt entscheidend die Figur und ihre Persönlichkeit. Afrikanische Instrumente, ein Gitarrenhals oder Blinklichter und andere Fundstücke werden so verwandelt, dass ihre ursprüngliche Funktion in den Hintergrund rückt und durch den neuen Zusammenhang überdeckt wird. Die fertigen Figuren haben eine so große Ausstrahlung, dass sie ihrem Charakter entsprechend mit Namen versehen werden. Dadurch wird die Persönlichkeit der geschaffenen Figuren verstärkt und zugleich ein Hinweis auf die besondere Beziehung der Künstlerin zu ihren Geschöpfen gegeben, auf die Eigenständigkeit, die sie ihnen zubilligt.
Ihre Besonderheit zeichnet jede Figur schon während der Entstehung aus. Irene Nestler lässt sich durch die haptischen und optischen Qualitäten der gesammelten Fundstücke anregen und erfindet so ihre Figuren ohne vorherige rationale Durchdringung in einem intensiven, fast rauschhaften Arbeitsprozess. Durch den Fundus zahlreicher Fegsel werden Inspirationen freigesetzt, die während der Entstehung der Figuren neue Sinnfelder und visuelle Bezüge erschaffen. Dreidimensionalität, Skurrilität sowie Oberflächenstrukturen und ihre Reize gehen dabei eine gleichwertige Mischung ein. Der abgebrochene Griff einer Säge mutiert zur Nase und zusammen mit einem schlichten Holzstück entsteht der Kopf eines alten Mannes. Die Wahl der Gegenstände für die übrigen Körperteile ergibt sich nun aus diesen Vorgaben und ihrer Wirkung. Die Figuren sind in sich stimmig, harmonisch, ohne ihre Einzelbestandteile zu verleugnen. Die Proportionen und die aufeinander bezogene Wirkung der Materialen bestimmen ihren individuellen Charakter.
In Bewegung – von der Fantasie zur Poesie
Eine zusätzliche Dimension erhalten die Fegsel-Figuren, wenn sie in Aktion treten. Als bewegliche Objekte geschaffen und mit Fäden versehen, die nach dem Prinzip von Marionetten an einem Spielkreuz zusammenlaufen, sind sie dazu prädestiniert, in Bewegung versetzt zu werden.
Diese Bewegung erfolgt durch die Hände der Künstlerin. Die Fegsel-Figuren treten ungebunden von textlichen Vorgaben auf, auch wenn bestimmte Inspirationsquellen vorhanden sind. Literarische Texte wie Das Narrenschiff, Leonce und Lena oder Don Quichotte geben Anregungen und beeinflussen vor allen Dingen die Auswahl der Figuren für eine Aufführung. Auffällig ist hierbei die grundsätzliche Verwandtschaft der von der Künstlerin bevorzugten Texte, die Surreales und Absurdes in sich vereinigen. Die Figuren mit ihren ebenso bizarren und skurrilen Fegsel-Körpern sind dabei der passende Ausdrucksträger für die frei zu den Vorlagen assoziierten Bilder, die in einer Folge unermüdlichen Probens von der Künstlerin entwickelt werden. Die Figuren – vorher nur einzeln wahrgenommen – agieren in diesen Auftritten miteinander. Vor einem dunklen, neutralen Hintergrund, sparsam beleuchtet, entfalten sie ihre Aktivitäten. Die Künstlerin tritt in den Hintergrund und wird – da sie sich in Haltung und Gestik unbewusst ihren Figuren anpasst – vom Betrachter nicht mehr wahrgenommen, obwohl sie deutlich sichtbar ist. Die Figuren fangen in der Bewegung an, das Eigenleben, das ihr Äußeres ausstrahlt, auch zu führen. Den individuellen Bewegungen und Stimmungen, in die sie während des Spieles zu geraten scheinen, steht ergänzend und eigenständig eine musikalische Ebene zur Seite. Der Zusammenklang von Musik und der Bewegung der Figuren bildet das eigentliche Schauspiel.
Die Analogien zwischen der Bewegung der Figuren und ihrem Charakter sind dabei unverzichtbar für die Wirkung auf den Betrachter. Erst im Zusammenspiel von Bewegung und Aussehen entfaltet die Figur ihr vollständiges Potential. Ohne Worte vermittelt sich in der Bewegung, im interaktiven Agieren der Figuren eine eigene Bildsprache. Jede Figur verlangt dabei eine ihrer Persönlichkeit und ihrem Charakter angemessene Handhabung. Zu berücksichtigen sind dabei auch rein äußerliche, konstruktionsbedingte Vorgaben, die den Bewegungsspielraum und die Art der Bewegung bestimmen. Die jeweiligen Bewegungsmöglichkeiten sind auszuloten und in einen Zusammenhang mit der Individualität der Figur zu bringen.
Bei der gesamten Aufführung spielt die Phantasie des Zuschauers, sein Einfühlungsvermögen und seine subjektive Disposition eine große Rolle. Die Künstlerin beschränkt sich auf ihre Tätigkeit als Vermittlerin. Die Bewegung der Figuren und ihr äußeres Erscheinungsbild lösen – zusammen mit der akustischen Begleitung – Assoziationen aus, die eine individuelle und ganz subjektive Kette von Gedanken freisetzt und damit erst die eigentliche Geschichte im Kopf des Betrachters entstehen lässt.
Weitere Wandlungen
Das Sammeln der Fundstücke, das Bauen der Figuren und ihre langsame Verwandlung in agierende Charaktere bei einer Aufführung, stellen unterschiedliche Stationen des künstlerischen Prozesses dar. Ergänzt, erweitert und begleitet wird diese Arbeit durch Zeichnungen und Radierungen, die seit Jahrzehnten unverzichtbarer Bestandteil des künstlerischen Wirkens von Irene Nestler sind.
Betrachtet man die Werke auf Papier, Graphiken ebenso wie die in Mischtechnik ausgeführten Arbeiten, so sind sie wie die Fegsel-Figuren aus der Faszination für Dinge entstanden, die dem allgemeinen Empfinden nach als wertlos oder unschön gelten. Dinge in der Natur, aus einem besonderen, ganz individuellen Blickwinkel geschaut oder vertrocknete Gräser und Blumen finden Eingang in die Bildwelt der Künstlerin und erhalten eine neue ästhetische Bedeutung. Dieses Prinzip des Schauens, Einfühlens und in neue Zusammenhänge Setzens ist das Grundprinzip der künstlerischen Arbeit von Irene Nestler. Ausgangspunkt für ihre Kunst ist dabei immer die Auseinandersetzung mit etwas Vorhandenem, etwas Geschautem oder Gefühltem, das in einem neuen Kontext eine neue Dimension erfährt.
Neben Anregungen aus der Natur bezieht die Künstlerin ihre Fegsel-Figuren auch als Modelle in die Bildwelten ihrer Papierarbeiten ein. Sie werden allerdings nicht statisch abgebildet, sondern erwachen auf dem zweidimensionalen Bildträger zu einem neuen Leben, das von dem in den realen Aufführungen variiert. Aufgrund der Freiheit, die die zeichnerische Umsetzung ermöglicht, führen sie ein Eigenleben, das ihre Rolle erweitert. Sie werden in räumliche und situative Zusammenhänge gestellt, die auf der Bühne nicht realisierbar sind. Durch dieses nicht rein abbildende Kombinieren von Figur-Modellen, das Umwandeln in aktiv Handelnde im Bild, und ihre Platzierung in Landschafträumen macht sich die Künstlerin das Prinzip der „Collage“ in erweitertem Sinne – das auch die Arbeit bei der Entstehung der Figuren bestimmt – für den zeichnerischen Prozess zunutze.
Metamorphosen – vom Fundstück zum Kunstwerk
Ina Ewers-Schultz
Sammeln und verwandeln
Weggeworfenes, undefinierbares Gerümpel, unbrauchbar geworden und scheinbar nutzlos, bildet die Grundlage des künstlerischen Schaffens von Irene Nestler. 1986 sammelte sie am Hamburger Hafen erste Fundstücke. Zu Hause im Atelier wurden diese Gegenstände miteinander in Verbindung gebracht, neu kombiniert und verwandelten sich in den Händen der Künstlerin zu Kunstwerken. Taureste, rostige Nägel, Blech- und Holzteile, alte Schwimmer von Tauen an Rettungsbooten, Gestelle von Regenschirmen, Bürstenköpfe und vieles mehr wurde zum Ausgangsmaterial für Figuren. Montiert und mit Fäden versehen wurden sie zu beweglichen Objekten von großer eigener Ausdruckskraft, den sogenannten Fegsel-Figuren.
Die Benennung durch die Künstlerin geht auf den mundartlichen Begriff Fegsel zurück, der die auf Schiffen zusammengefegten Reste nicht mehr zu verwertender Dinge bezeichnet. Dabei verraten die Fundstücke, die Irene Nestler sammelt, oftmals ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr. Doch in den Augen der Künstlerin ist es nicht das einzelne Teil, das zählt; die Wertigkeit ergibt sich allein aus dem neuen Zusammenklang, in den es durch den künstlerischen Prozess gestellt wird. Dabei arbeitet die Künstlerin nach dem Prinzip der Assemblage: die Teile werden miteinander kombiniert und erhalten eine neue Bedeutung im Gesamtgefüge.
Individuen
Inzwischen sind seit den Anfängen mehr als dreißig Fegsel-Figuren unterschiedlichster Art entstanden, mit denen sich die Künstlerin ihr Haus und Atelier teilt. Die kleinste Figur misst lediglich fünf Zentimeter, die größte 95. Jede hat ihren spezifischen Charakter. Die Verwendung filigraner Dinge wie etwa dem drahtigen Gerüst eines Regenschirmes, derber Holzteile oder dicker Taue bestimmt entscheidend die Figur und ihre Persönlichkeit. Afrikanische Instrumente, ein Gitarrenhals oder Blinklichter und andere Fundstücke werden so verwandelt, dass ihre ursprüngliche Funktion in den Hintergrund rückt und durch den neuen Zusammenhang überdeckt wird. Die fertigen Figuren haben eine so große Ausstrahlung, dass sie ihrem Charakter entsprechend mit Namen versehen werden. Dadurch wird die Persönlichkeit der geschaffenen Figuren verstärkt und zugleich ein Hinweis auf die besondere Beziehung der Künstlerin zu ihren Geschöpfen gegeben, auf die Eigenständigkeit, die sie ihnen zubilligt.
Ihre Besonderheit zeichnet jede Figur schon während der Entstehung aus. Irene Nestler lässt sich durch die haptischen und optischen Qualitäten der gesammelten Fundstücke anregen und erfindet so ihre Figuren ohne vorherige rationale Durchdringung in einem intensiven, fast rauschhaften Arbeitsprozess. Durch den Fundus zahlreicher Fegsel werden Inspirationen freigesetzt, die während der Entstehung der Figuren neue Sinnfelder und visuelle Bezüge erschaffen. Dreidimensionalität, Skurrilität sowie Oberflächenstrukturen und ihre Reize gehen dabei eine gleichwertige Mischung ein. Der abgebrochene Griff einer Säge mutiert zur Nase und zusammen mit einem schlichten Holzstück entsteht der Kopf eines alten Mannes. Die Wahl der Gegenstände für die übrigen Körperteile ergibt sich nun aus diesen Vorgaben und ihrer Wirkung. Die Figuren sind in sich stimmig, harmonisch, ohne ihre Einzelbestandteile zu verleugnen. Die Proportionen und die aufeinander bezogene Wirkung der Materialen bestimmen ihren individuellen Charakter.
In Bewegung – von der Fantasie zur Poesie
Eine zusätzliche Dimension erhalten die Fegsel-Figuren, wenn sie in Aktion treten. Als bewegliche Objekte geschaffen und mit Fäden versehen, die nach dem Prinzip von Marionetten an einem Spielkreuz zusammenlaufen, sind sie dazu prädestiniert, in Bewegung versetzt zu werden.
Diese Bewegung erfolgt durch die Hände der Künstlerin. Die Fegsel-Figuren treten ungebunden von textlichen Vorgaben auf, auch wenn bestimmte Inspirationsquellen vorhanden sind. Literarische Texte wie Das Narrenschiff, Leonce und Lena oder Don Quichotte geben Anregungen und beeinflussen vor allen Dingen die Auswahl der Figuren für eine Aufführung. Auffällig ist hierbei die grundsätzliche Verwandtschaft der von der Künstlerin bevorzugten Texte, die Surreales und Absurdes in sich vereinigen. Die Figuren mit ihren ebenso bizarren und skurrilen Fegsel-Körpern sind dabei der passende Ausdrucksträger für die frei zu den Vorlagen assoziierten Bilder, die in einer Folge unermüdlichen Probens von der Künstlerin entwickelt werden. Die Figuren – vorher nur einzeln wahrgenommen – agieren in diesen Auftritten miteinander. Vor einem dunklen, neutralen Hintergrund, sparsam beleuchtet, entfalten sie ihre Aktivitäten. Die Künstlerin tritt in den Hintergrund und wird – da sie sich in Haltung und Gestik unbewusst ihren Figuren anpasst – vom Betrachter nicht mehr wahrgenommen, obwohl sie deutlich sichtbar ist. Die Figuren fangen in der Bewegung an, das Eigenleben, das ihr Äußeres ausstrahlt, auch zu führen. Den individuellen Bewegungen und Stimmungen, in die sie während des Spieles zu geraten scheinen, steht ergänzend und eigenständig eine musikalische Ebene zur Seite. Der Zusammenklang von Musik und der Bewegung der Figuren bildet das eigentliche Schauspiel.
Die Analogien zwischen der Bewegung der Figuren und ihrem Charakter sind dabei unverzichtbar für die Wirkung auf den Betrachter. Erst im Zusammenspiel von Bewegung und Aussehen entfaltet die Figur ihr vollständiges Potential. Ohne Worte vermittelt sich in der Bewegung, im interaktiven Agieren der Figuren eine eigene Bildsprache. Jede Figur verlangt dabei eine ihrer Persönlichkeit und ihrem Charakter angemessene Handhabung. Zu berücksichtigen sind dabei auch rein äußerliche, konstruktionsbedingte Vorgaben, die den Bewegungsspielraum und die Art der Bewegung bestimmen. Die jeweiligen Bewegungsmöglichkeiten sind auszuloten und in einen Zusammenhang mit der Individualität der Figur zu bringen.
Bei der gesamten Aufführung spielt die Phantasie des Zuschauers, sein Einfühlungsvermögen und seine subjektive Disposition eine große Rolle. Die Künstlerin beschränkt sich auf ihre Tätigkeit als Vermittlerin. Die Bewegung der Figuren und ihr äußeres Erscheinungsbild lösen – zusammen mit der akustischen Begleitung – Assoziationen aus, die eine individuelle und ganz subjektive Kette von Gedanken freisetzt und damit erst die eigentliche Geschichte im Kopf des Betrachters entstehen lässt.
Weitere Wandlungen
Das Sammeln der Fundstücke, das Bauen der Figuren und ihre langsame Verwandlung in agierende Charaktere bei einer Aufführung, stellen unterschiedliche Stationen des künstlerischen Prozesses dar. Ergänzt, erweitert und begleitet wird diese Arbeit durch Zeichnungen und Radierungen, die seit Jahrzehnten unverzichtbarer Bestandteil des künstlerischen Wirkens von Irene Nestler sind.
Betrachtet man die Werke auf Papier, Graphiken ebenso wie die in Mischtechnik ausgeführten Arbeiten, so sind sie wie die Fegsel-Figuren aus der Faszination für Dinge entstanden, die dem allgemeinen Empfinden nach als wertlos oder unschön gelten. Dinge in der Natur, aus einem besonderen, ganz individuellen Blickwinkel geschaut oder vertrocknete Gräser und Blumen finden Eingang in die Bildwelt der Künstlerin und erhalten eine neue ästhetische Bedeutung. Dieses Prinzip des Schauens, Einfühlens und in neue Zusammenhänge Setzens ist das Grundprinzip der künstlerischen Arbeit von Irene Nestler. Ausgangspunkt für ihre Kunst ist dabei immer die Auseinandersetzung mit etwas Vorhandenem, etwas Geschautem oder Gefühltem, das in einem neuen Kontext eine neue Dimension erfährt.
Neben Anregungen aus der Natur bezieht die Künstlerin ihre Fegsel-Figuren auch als Modelle in die Bildwelten ihrer Papierarbeiten ein. Sie werden allerdings nicht statisch abgebildet, sondern erwachen auf dem zweidimensionalen Bildträger zu einem neuen Leben, das von dem in den realen Aufführungen variiert. Aufgrund der Freiheit, die die zeichnerische Umsetzung ermöglicht, führen sie ein Eigenleben, das ihre Rolle erweitert. Sie werden in räumliche und situative Zusammenhänge gestellt, die auf der Bühne nicht realisierbar sind. Durch dieses nicht rein abbildende Kombinieren von Figur-Modellen, das Umwandeln in aktiv Handelnde im Bild, und ihre Platzierung in Landschafträumen macht sich die Künstlerin das Prinzip der „Collage“ in erweitertem Sinne – das auch die Arbeit bei der Entstehung der Figuren bestimmt – für den zeichnerischen Prozess zunutze.
Metamorphosen – vom Fundstück zum Kunstwerk
Ina Ewers-Schultz
Sammeln und verwandeln
Weggeworfenes, undefinierbares Gerümpel, unbrauchbar geworden und scheinbar nutzlos, bildet die Grundlage des künstlerischen Schaffens von Irene Nestler. 1986 sammelte sie am Hamburger Hafen erste Fundstücke. Zu Hause im Atelier wurden diese Gegenstände miteinander in Verbindung gebracht, neu kombiniert und verwandelten sich in den Händen der Künstlerin zu Kunstwerken. Taureste, rostige Nägel, Blech- und Holzteile, alte Schwimmer von Tauen an Rettungsbooten, Gestelle von Regenschirmen, Bürstenköpfe und vieles mehr wurde zum Ausgangsmaterial für Figuren. Montiert und mit Fäden versehen wurden sie zu beweglichen Objekten von großer eigener Ausdruckskraft, den sogenannten Fegsel-Figuren.
Die Benennung durch die Künstlerin geht auf den mundartlichen Begriff Fegsel zurück, der die auf Schiffen zusammengefegten Reste nicht mehr zu verwertender Dinge bezeichnet. Dabei verraten die Fundstücke, die Irene Nestler sammelt, oftmals ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr. Doch in den Augen der Künstlerin ist es nicht das einzelne Teil, das zählt; die Wertigkeit ergibt sich allein aus dem neuen Zusammenklang, in den es durch den künstlerischen Prozess gestellt wird. Dabei arbeitet die Künstlerin nach dem Prinzip der Assemblage: die Teile werden miteinander kombiniert und erhalten eine neue Bedeutung im Gesamtgefüge.
Individuen
Inzwischen sind seit den Anfängen mehr als dreißig Fegsel-Figuren unterschiedlichster Art entstanden, mit denen sich die Künstlerin ihr Haus und Atelier teilt. Die kleinste Figur misst lediglich fünf Zentimeter, die größte 95. Jede hat ihren spezifischen Charakter. Die Verwendung filigraner Dinge wie etwa dem drahtigen Gerüst eines Regenschirmes, derber Holzteile oder dicker Taue bestimmt entscheidend die Figur und ihre Persönlichkeit. Afrikanische Instrumente, ein Gitarrenhals oder Blinklichter und andere Fundstücke werden so verwandelt, dass ihre ursprüngliche Funktion in den Hintergrund rückt und durch den neuen Zusammenhang überdeckt wird. Die fertigen Figuren haben eine so große Ausstrahlung, dass sie ihrem Charakter entsprechend mit Namen versehen werden. Dadurch wird die Persönlichkeit der geschaffenen Figuren verstärkt und zugleich ein Hinweis auf die besondere Beziehung der Künstlerin zu ihren Geschöpfen gegeben, auf die Eigenständigkeit, die sie ihnen zubilligt.
Ihre Besonderheit zeichnet jede Figur schon während der Entstehung aus. Irene Nestler lässt sich durch die haptischen und optischen Qualitäten der gesammelten Fundstücke anregen und erfindet so ihre Figuren ohne vorherige rationale Durchdringung in einem intensiven, fast rauschhaften Arbeitsprozess. Durch den Fundus zahlreicher Fegsel werden Inspirationen freigesetzt, die während der Entstehung der Figuren neue Sinnfelder und visuelle Bezüge erschaffen. Dreidimensionalität, Skurrilität sowie Oberflächenstrukturen und ihre Reize gehen dabei eine gleichwertige Mischung ein. Der abgebrochene Griff einer Säge mutiert zur Nase und zusammen mit einem schlichten Holzstück entsteht der Kopf eines alten Mannes. Die Wahl der Gegenstände für die übrigen Körperteile ergibt sich nun aus diesen Vorgaben und ihrer Wirkung. Die Figuren sind in sich stimmig, harmonisch, ohne ihre Einzelbestandteile zu verleugnen. Die Proportionen und die aufeinander bezogene Wirkung der Materialen bestimmen ihren individuellen Charakter.
In Bewegung – von der Fantasie zur Poesie
Eine zusätzliche Dimension erhalten die Fegsel-Figuren, wenn sie in Aktion treten. Als bewegliche Objekte geschaffen und mit Fäden versehen, die nach dem Prinzip von Marionetten an einem Spielkreuz zusammenlaufen, sind sie dazu prädestiniert, in Bewegung versetzt zu werden.
Diese Bewegung erfolgt durch die Hände der Künstlerin. Die Fegsel-Figuren treten ungebunden von textlichen Vorgaben auf, auch wenn bestimmte Inspirationsquellen vorhanden sind. Literarische Texte wie Das Narrenschiff, Leonce und Lena oder Don Quichotte geben Anregungen und beeinflussen vor allen Dingen die Auswahl der Figuren für eine Aufführung. Auffällig ist hierbei die grundsätzliche Verwandtschaft der von der Künstlerin bevorzugten Texte, die Surreales und Absurdes in sich vereinigen. Die Figuren mit ihren ebenso bizarren und skurrilen Fegsel-Körpern sind dabei der passende Ausdrucksträger für die frei zu den Vorlagen assoziierten Bilder, die in einer Folge unermüdlichen Probens von der Künstlerin entwickelt werden. Die Figuren – vorher nur einzeln wahrgenommen – agieren in diesen Auftritten miteinander. Vor einem dunklen, neutralen Hintergrund, sparsam beleuchtet, entfalten sie ihre Aktivitäten. Die Künstlerin tritt in den Hintergrund und wird – da sie sich in Haltung und Gestik unbewusst ihren Figuren anpasst – vom Betrachter nicht mehr wahrgenommen, obwohl sie deutlich sichtbar ist. Die Figuren fangen in der Bewegung an, das Eigenleben, das ihr Äußeres ausstrahlt, auch zu führen. Den individuellen Bewegungen und Stimmungen, in die sie während des Spieles zu geraten scheinen, steht ergänzend und eigenständig eine musikalische Ebene zur Seite. Der Zusammenklang von Musik und der Bewegung der Figuren bildet das eigentliche Schauspiel.
Die Analogien zwischen der Bewegung der Figuren und ihrem Charakter sind dabei unverzichtbar für die Wirkung auf den Betrachter. Erst im Zusammenspiel von Bewegung und Aussehen entfaltet die Figur ihr vollständiges Potential. Ohne Worte vermittelt sich in der Bewegung, im interaktiven Agieren der Figuren eine eigene Bildsprache. Jede Figur verlangt dabei eine ihrer Persönlichkeit und ihrem Charakter angemessene Handhabung. Zu berücksichtigen sind dabei auch rein äußerliche, konstruktionsbedingte Vorgaben, die den Bewegungsspielraum und die Art der Bewegung bestimmen. Die jeweiligen Bewegungsmöglichkeiten sind auszuloten und in einen Zusammenhang mit der Individualität der Figur zu bringen.
Bei der gesamten Aufführung spielt die Phantasie des Zuschauers, sein Einfühlungsvermögen und seine subjektive Disposition eine große Rolle. Die Künstlerin beschränkt sich auf ihre Tätigkeit als Vermittlerin. Die Bewegung der Figuren und ihr äußeres Erscheinungsbild lösen – zusammen mit der akustischen Begleitung – Assoziationen aus, die eine individuelle und ganz subjektive Kette von Gedanken freisetzt und damit erst die eigentliche Geschichte im Kopf des Betrachters entstehen lässt.
Weitere Wandlungen
Das Sammeln der Fundstücke, das Bauen der Figuren und ihre langsame Verwandlung in agierende Charaktere bei einer Aufführung, stellen unterschiedliche Stationen des künstlerischen Prozesses dar. Ergänzt, erweitert und begleitet wird diese Arbeit durch Zeichnungen und Radierungen, die seit Jahrzehnten unverzichtbarer Bestandteil des künstlerischen Wirkens von Irene Nestler sind.
Betrachtet man die Werke auf Papier, Graphiken ebenso wie die in Mischtechnik ausgeführten Arbeiten, so sind sie wie die Fegsel-Figuren aus der Faszination für Dinge entstanden, die dem allgemeinen Empfinden nach als wertlos oder unschön gelten. Dinge in der Natur, aus einem besonderen, ganz individuellen Blickwinkel geschaut oder vertrocknete Gräser und Blumen finden Eingang in die Bildwelt der Künstlerin und erhalten eine neue ästhetische Bedeutung. Dieses Prinzip des Schauens, Einfühlens und in neue Zusammenhänge Setzens ist das Grundprinzip der künstlerischen Arbeit von Irene Nestler. Ausgangspunkt für ihre Kunst ist dabei immer die Auseinandersetzung mit etwas Vorhandenem, etwas Geschautem oder Gefühltem, das in einem neuen Kontext eine neue Dimension erfährt.
Neben Anregungen aus der Natur bezieht die Künstlerin ihre Fegsel-Figuren auch als Modelle in die Bildwelten ihrer Papierarbeiten ein. Sie werden allerdings nicht statisch abgebildet, sondern erwachen auf dem zweidimensionalen Bildträger zu einem neuen Leben, das von dem in den realen Aufführungen variiert. Aufgrund der Freiheit, die die zeichnerische Umsetzung ermöglicht, führen sie ein Eigenleben, das ihre Rolle erweitert. Sie werden in räumliche und situative Zusammenhänge gestellt, die auf der Bühne nicht realisierbar sind. Durch dieses nicht rein abbildende Kombinieren von Figur-Modellen, das Umwandeln in aktiv Handelnde im Bild, und ihre Platzierung in Landschafträumen macht sich die Künstlerin das Prinzip der „Collage“ in erweitertem Sinne – das auch die Arbeit bei der Entstehung der Figuren bestimmt – für den zeichnerischen Prozess zunutze.
Aufführungen
1987 – Torhaus Wellingsbüttel Hamburg
1987 – St. Nikolai-Kirche Hamburg
1989/1990 – Kampnagel Hamburg
1990 – Monsun-Theater Hamburg
1991 – Literaturhaus Hamburg
1991 – Logenhaus Hamburg
1993 – Fabrik Hamburg
1993 – Stadttheater Lüneburg
1994 – Steigenberger Hotel Hamburg
1994 – Kulturzentrum Meppen
1994 – Kulturwerkstatt Neustadt/H.
1994 – Gesamtschule Hittfeld
1995 – Haus Rissen Hamburg
1995 – Westerhever/Steinhütten
1995 – Brömse Haus Lüneburg
1996/1997 – Altonaer Museum Hamburg
1998 – Haizmann Museum Niebüll
1998 – Rathaus Norderstedt
1999 – Galerie Morgenland Hamburg
1999 – Evangelische Akademie Hamburg
1999 – Kulturhaus Eppendorf Hamburg
2000 – Künstlerhaus Bergedorf Hamburg
2001 – Torhaus Wellingsbüttel Hamburg
2002 – Kulturzentrum Marstall Ahrensburg
2003 – Kunstraum Farmsen
2003 – Speicherstadt (Alter Wandrahm 4) Hamburg
2003 – Le Royal Meridien Hamburg
2004 – Evang. Ref. Kirche Hamburg Altona
2004 – Hauptkirche St. Katharinen Hamburg
2004 – Künstlerhaus Bergedorf Hamburg
2005 – Hamburger Puppentheater
2006 – Monsun-Theater Hamburg
2007 – Schuppen 50
2007 – Handelskammer Hamburg
2007 – Kulturwerk Nienburg
2007 – Tag der offenen Museen Schuppen 50
2009 – Albertinenhaus Hamburg
2009 – Altonaer Museum
2010 – Kloster St. Johannis Eppendorf
2010 – Lieger CAESAR im Traditionsschiffhafen
2011 – MS Bleichen (lange Nacht der Museen)
2011 – Fabrik der Künste (Ausstellung NESTLERKUNST)
und zahlreiche private Veranstaltungen…
1987 – Torhaus Wellingsbüttel Hamburg
1987 – St. Nikolai-Kirche Hamburg
1989/1990 – Kampnagel Hamburg
1990 – Monsun-Theater Hamburg
1991 – Literaturhaus Hamburg
1991 – Logenhaus Hamburg
1993 – Fabrik Hamburg
1993 – Stadttheater Lüneburg
1994 – Steigenberger Hotel Hamburg
1994 – Kulturzentrum Meppen
1994 – Kulturwerkstatt Neustadt/H.
1994 – Gesamtschule Hittfeld
1995 – Haus Rissen Hamburg
1995 – Westerhever/Steinhütten
1995 – Brömse Haus Lüneburg
1996/1997 – Altonaer Museum Hamburg
1998 – Haizmann Museum Niebüll
1998 – Rathaus Norderstedt
1999 – Galerie Morgenland Hamburg
1999 – Evangelische Akademie Hamburg
1999 – Kulturhaus Eppendorf Hamburg
2000 – Künstlerhaus Bergedorf Hamburg
2001 – Torhaus Wellingsbüttel Hamburg
2002 – Kulturzentrum Marstall Ahrensburg
2003 – Kunstraum Farmsen
2003 – Speicherstadt (Alter Wandrahm 4) Hamburg
2003 – Le Royal Meridien Hamburg
2004 – Evang. Ref. Kirche Hamburg Altona
2004 – Hauptkirche St. Katharinen Hamburg
2004 – Künstlerhaus Bergedorf Hamburg
2005 – Hamburger Puppentheater
2006 – Monsun-Theater Hamburg
2007 – Schuppen 50
2007 – Handelskammer Hamburg
2007 – Kulturwerk Nienburg
2007 – Tag der offenen Museen Schuppen 50
2009 – Albertinenhaus Hamburg
2009 – Altonaer Museum
2010 – Kloster St. Johannis Eppendorf
2010 – Lieger CAESAR im Traditionsschiffhafen
2011 – MS Bleichen (lange Nacht der Museen)
2011 – Fabrik der Künste (Ausstellung NESTLERKUNST)
und zahlreiche private Veranstaltungen…